Volkswagen Golf III 413PS VW

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Für Markus Strumple musste es schon immer eine Spur schneller sein. Fahrzeuge innerhalb der Normen waren langweilig, ja nervtötend. Also experimentierte der 26jährige Kfz-Mechaniker in der Vergangenheit schon mal mit einem 911 RS, einem 500 E, dem E 30 Cabrio aus der Münchner Motorenschmiede oder auch einem RS 2 (den er heute noch fährt). Und dann passierte es: Seine Freundin legte sich zur allgemeinen Überraschung im Frühjahr 1997 einen VR6 zu, der in erst vier Jahren keine 35.000 Kilometer abgespult hatte. Markus nahn den Neuling direkt unter seine Fittiche, versprach seinem Herzblatt nur einige kleinere Modifikationen, um das VR6-Gesicht aus der Menge herausragen zu lassen. Also flugs 8,5 und 9 x 17-Porsche-Cup-Felgen an den damals schwarzen Dreier geschraubt, ein H&R-Fahrwerk sowie einen Hartmann-Sportauspuff montiert und am Motormangement mit geändertem Chip, Steuergerät und kleineren Eingriffen 224 Pferde mobilisiert. Es kam, wie es kommen musste. Markus‘ besserer Hälfte wurde der Unterhalt zu teuer, und der Auto-Enthusiast war natürlich sofort zur Stelle, um den VR6 bereitwillig zu übernehmen. Großes war geplant, doch ein mordsmäßiger Crash beendete zunächst sämtliche Träume. „Da war ich ziemlich down“, erinnert sich Markus. Doch dieses Gefühl der bleiernen, lähmenden Schwere dauerte nicht allzulange an. Über einen Bekannten besorgte sich der Saarländer eine neue Karosse. Und los ging’s. Als Ergänzungen montierte der VW-Schrauber lediglich Audi-Türgriffe, außerdem ließ er den Golf extra böse dreinblicken. Das Ganze wurde in Satin-Silber-Lack (Original VW) getaucht, bevor sich Markus dem Antriebsaggregat widmete. Letzteres stammte aus dem zuvor gecrashten Golf und erfuhr eine leichte Hubraum-Vergrößerung auf 2,9 Liter. Neu gelagert, den Zylinderkopf nach allen Regeln der Kunst bearbeitet und das Triebwerk mit einem Vortec-Kompressor versehen, leistete der Golf nach dieser Frischzellenkur knapp 300 PS. Alles schien im Lot – bis just eines Tages sämtliche Ventile abrissen.

Aus die Maus. Aber Michael Reithofer mit seinem Golf-2-Bi-Turbo wusste Rat. „Mach’s doch wie ich“, empfahl der Motoren-Freak. Gesagt, getan.

Ein neues Aggregat war schnell besorgt und mit Spezial-Kolben von Mahle bestückt. Selbstverständlich war wieder eine Kopfmassage fällig, ehe die zwei KKK-Turbolader ihren Weg in das Abgasgehäuse fanden, jeder weiß: Wenn Turbo, dann maximale Kühlung. Aus England wurde ein extra großer Ladeluftkühler importiert, die verstärkten Ventile sind natriumgefüllt, und auch eine Zusatzwassereinspritzung zur Kühlung schien Markus notwendig. Um die Ansaugtemperatur der Ladeluft abzusenken, ist eine Düse des Wassersystems vor dem Ladeluftkühlereingang, die zweite vor der Drossel-klappe plaziert. Alles, damit der Motor bei der brachialen Leistungsexplosion keine Schweißausbrüche bekommt.

Diese Power will auch auf die Straße gebracht werden. Eine verstärkte Kupplung aus einem Fahrschul-VR6 war ebenso Pflicht wie das bekanntermaßen verstärkte TDI-Getriebe, das samt Differential Einzug in den jetzt mit der längstmöglichen Übersetzung ausgestatteten Doppel-Turbo fand.

So wird Tempo 200 im fünften Gang bereits bei schonenden 4100 U/min erreicht. Die Höchstgeschwindigkeit des mit der bombastischen Leistung von 413 PS geprüften VR6 schnellte auf den theoretischen – aber im Fahrzeugschein niedergelegten -Wert von 296 km/h. Gefahren ist Markus diese Höchstpower freilich noch nicht – „da durch die Tieferlegung ab 270 die Fahrfreude rapide abnimmt.“ Jede kleine Bodenunebenheit lässt die Passagiere des Donnervogels dann gegen den lederbezogenen Himmel fliegen, denn das H&R-Gewindefahrwerk, das für eine Absenkung von 100 Millimetern verantwortlich ist, gibt sich unerbittlich.

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Diese Porsche-Killer-Qualitäten wollen natürlich auch entsprechend rasch wieder verzögert werden – schließlich stehen nicht immer alle Ampeln auf Grün. Für optimalen Stopp sorgt die größere Bremse aus dem 20-jahre-Jubi-GTi, die mit seriennahen, gelochten Bremsscheiben bestückt ist. Nach der Fertigstellung des Motor-Kraftpakets und der Eigenbau-Aus-puffanlage mit einem Rohrdurchmesser von 76,5 Millimetern konnte sich Markus dem optischen Auftritt seines VR6 widmen. Mit viel Gefühl ließen sich die Kotflügel-Bleche um 2,5 Zentimeter weiten, um die exklusiven 9 x 17-Felgen der Schweizer Firma Work in den leicht modifizierten Radhäusern unterzubringen. Bei der Gummimischung setzte Markus auf die bewährten Dunlop SP 8000, die in der Größe 225/35/ZR 17 aufgezogen wurden.
Nun noch kleinere Änderungen der Außenansicht. Die Heckklappe präsentierte sich fortan ohne Wischer, Schloss und Spoiler, ein DTM-Tank-deckel musste her und natürlich auch die Golf-4-Beleuchtung, die zusammen mit dem durchgehenden Grill und den auf der Motorhaube plazierten Luftschlitzen eines Sierra Cos-worth die Frontansicht markant verändert hat.

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Zu guter Letzt wurde der Innenraum noch ordentlich aufgemöbelt. Die Passagiere lassen sich auf edlen, schwarz gelederten Recaro-A8-Sitzen nieder, die Hände des Piloten greifen erwartungsfroh in ein 30er Momo, und sein Blick fällt auf die Digital-Armaturen eines 2er 16V. Auf den Lüfteröffnungen weisen Anzeigen für Ladedruck (maximal 1,3 bar) und Wasserdruck den Weg. Ach ja, da wäre noch die Musikanlage zu nennen. Und die ist auch nicht von schlechten Eltern. Befeuert von einem Sony-Radio und einem CD-Wechsler, erzeugt der in einem doppelten Boden hinter der Rücksitzbank untergebrachte Emphaser-Subwoofer grollende Basstöne. Die zwei Portovision-Endstufen und ihr Rockford-Bruder prangen im Kofferraum auf einem Riffelblech und sind durch Plexiglas geschützt. Im Frontbereich und in den hinteren Seitenverkleidun gen sorgt ein Canton-Klangpaket für Hörgenüsse. Doch der ultimative 6er ist nur etwas für richtige Fans. „Da musst du schon ein echter Freak sein“, beschreibt Markus das Leben mit der Urkraft. Immer mal wieder sind geplatzte Schläuche oder sonstige Undichtigkeiten zu reparieren. Und das in einem Motorraum, der bis zum Rand prallgefüllte Technik bietet.

Der 413-PS-Golf ist eben eine echte Fahrmaschine. „Wenn man nicht das meiste selbst reparieren kann, ist es Wahnsinn“, bekennt der Besitzer des Boliden. Aber der Fahrspaß entschädigt für alles. Den Sprint bis zur 100-km/h-Marke erledigt der 3er aus dem Saarland in weniger als fünf Sekunden. Das sind Traumzeiten, die sonst nur High-Tech-Motorräder erreichen. Und mancher Sportwagen-Fahrer hat in der Vergangenheit schon ungläubig die Augen verdreht, wenn ein VR6 bei Tempo 240 noch mal richtig Druck macht. „Es muss mächtig nach vorne gehen“, lautet Markus‘ Prinzip.

Allerdings wäre er unter bestimmten Umständen auch bereit, sich von seinem besten Stück zu trennen. Schon schwirrt ihm ein neues Projekt durch den Kopf. Mehr will er aber noch nicht verraten. Wir sind gespannt und grüßen in Markus‘ Auftrag natürlich auch noch Alexander Schmidteinander und den kleinen Micha aus Düsseldorf.

Typ: Golf 3 VR6 • Baujahr: 1992 • Motor: 2,8-Liter-VR6-Bi-Turbo mit zwei KKK-Ladern, Ladeluftkühler, Zusatzwassereinspritzung, natriumgefüllten Ventilen, Verdichtung 6,2:1, Mahle-Spezial-kolben, Zylinderkopfbearbeitung, 413 PS • Auspuff: Eigenkonstruktion mit 76,5 Millimeter Rohrdurchmesser • Kraftübertragung: 5-Gang, verstärkte Kupplung, TDi-Getriebe mit Differential und langer Übersetzung • Fahrwerk: H&R Gewinde, -100 Millimeter • Felgen: Firma Work, 9x 17, ET22 •Reifen: 225/35/17Dunlop SP 8000 • Bremsen: verstärkte Bremse vom Jubi-GTi-Sondermodell, gelochte Scheiben rundum • Weitere Extras: Audi-Türgriffe, Böser Blick, geänderter Frontgrill ohne VW-Zeichen, Heckklappe ohne Schloss, Wischer und Spoiler; Sierra-Cosworth-Lufteinlässe, Golf-4-Be-leuchtung, DTM-Tankdeckel, polierte Alu-Domstrebe, schwarze Rückleuchten •Innenraum: Digital-Anzeigen (Golf 2 16 V), 30er Momo-Lenkrad, Zusatzinstrumente (Lade- und Wasserdruck), Himmel und Seitenteile in Leder, Recaro-A8-Sitze mit Leder überzogen • Musik: Sony-Radio und -CD-Wechsler, Emphaser-Subwoofer hinter der Rücksitzbank, Rockford-End-stufe und zwei Portovision-Endstufen auf Riffelblech-Platte unter Plexiglas im Kofferraum, Canton-Klangpaket im Frontbereich sowie in den hinteren Seitenteilen

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