Volkswagen Karmann Ghia

vw karmannSelbst wer für Autos und die Träume, die mit ihnen verbunden sind, nichts übrig hat – solche Zeitgenossen soll es tatsächlich geben! -wird dem Karmann Ghia von Gerard Michelan neugierige Blicke hinterherwerfen. Das Coupe ist in der heutigen Zeit der automobilen Uniformität eben jenseits des Normalen, aber immer noch von aufregender Eleganz.

Früher – ja, früher war alles anders. Ob denn nun alles besser war, wollen wir an dieser Stelle einmal offenlassen. In jedem Fall wurden vor zwanzig, dreißig Jahren auch schon Autos gebaut, die kurzzeitig Atemstillstand und zittrige Finger her- vorriefen. Und der Karmann Ghia gehörte zu dieser Sorte – ganz gleich ob als Cabrio oder, wie im vorliegenden Fall, als Coupe. Es war diese Eleganz, diese klassische Linienführung, nicht orientiert an cW-Werten, sondern an Ästhetik und Geschmack, die den Karmann Ghia zu einem Kultobjekt werden ließ. Hervorragende aerodynamische Werte wurden dennoch erzielt, was wieder einmal beweist, dass sich Modernität und eigener Charakter nicht ausschließen müssen.

25 Jahre ist es her, dass der letzte Karmann Ghia vom Band lief, aber auch heute noch träumt eine kleine Schar eingefleischter Ghia-Fans von glorreichen Zeiten. Nicht nur zu träumen, sondern auch noch Exemplare dieser Gattung aufzutreiben, erweist sich im Einzelfall als besonders schwieriges Unterfangen. Von der Suche nach Ersatzteilen wollen wir lieber gar nicht reden. Ohne das Quentchen Glück oder Freundschaften unter Ghia-Enthusiasten, die dann den einen oder anderen Tip geben können, wäre es kaum möglich, eine Restaurierung durchzuführen. Das Coupe, dem Gerard Michelan eines Tages zufällig begegnete, machte auf den ersten Blick einen durchaus zufriedenstellenden Eindruck.

vw karmann1Die schreckliche Wahrheit stellte sich erst nach dem Kauf heraus. Der Rostfraß hatte nahezu alle tragenden Teile befallen und ganze Arbeit geleistet. Einiges an Ersatz fand man auf dem Schrottplatz, anderes musste in mühsamer Kleinarbeit nachgebaut werden. Aber Aufgeben kam für Gerard überhaupt nicht in Frage.

Der komplette Ghia wurde wiederhergestellt. Dabei fallen die Stoßstangen ins Auge, deren Hörner durch Umschweißen verschwunden sind. Vorne wirkt der Stoßfänger wie die Unterlippe eines Haifischmauls. Die Linienführung des Ghia bleibt jedoch erhalten, der Abstand zwischen Stoßstange und Karosserie beträgt nur wenige Millimeter. So sieht die Front aus wie aus einem Guss.

Auch die Rückspiegel sollten sich harmonisch an die Linienführung anpassen. Bei einem Ascona GT wurde Gerard fündig. Allerdings verlangte die Anpassung Nerven und Fingerspitzengefühl.

Eigenwillig und ein echter Hingucker auch die Lackierung. Oben in ein Light-Lila getaucht, dominiert an der Fahrzeugunterseite ein tiefes Blau, das -von einem roten Faden begrenzt – in einem mal zackigen, mal wellenförmigen Weinrot ausläuft. Gerards Freunde, die allesamt im Custom-Milieu zu Hause sind, waren jedenfalls von dieser Kreation begeistert.

Und auch in der guten Wohnstube gibt’s Veränderungen, die beeindrucken. Der lila Farbton setzt sich im Armaturenbrett, dem Formula-Lenkrad, dem Schaltknüppel, ja sogar in der Tachoscheibe fort. Neben den Außenspiegeln sicherte sich Gerard auch die Vordersitze des Ascona, die größeren Komfort bieten. Wer einen Karmann Ghia restauriert, bedarf eines gewissen Erfindungsreichtums. Insofern ist die Anordnung der Zusatzinstrumente in einer selbst konstruierten Mittelkonsole schon gar nicht mehr ungewöhnlich, sondern zweckmäßig.

So, jetzt noch ein bisschen den 1,6- Liter-Motor mit einer Bosch-Zündanlage und einem Weber-Doppelvergaser aufgepäppelt, hochglanzpolierte 15-Zöller montiert, und schon geht’s auf die Straße. Längst hat Gerard akzeptiert, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Hat er seinen Ghia geparkt, bilden sich rasch Menschentrauben; fährt er auf der Autobahn, lassen sich schnellere Kaliber nach einem Überholmanöver ihrerseits wieder überholen, um den ganzen Wagen in Augenschein nehmen zu können. Dieser Karmann Ghia lässt einen einfach nicht kalt, und man kann so schön in Vergangenem schwelgen.