Zugegeben, ein Mix aus E-Kiasse und Golf klingt irgendwie befremdlich. Doch was, wenn einem der Komfort des Sterns zusagt, man aber trotzdem nicht auf einen Wolfsburger verzichten möchte? Mario Resch macht’s vor: Luxus pur im Innenraum, Power satt im Motorraum.
Ohne Frage ist der 2er Golf in der Volkswagen-Fange-meinde seit Jahren besonders beliebt. Ob Original oder verspoilert, brutal oder schlicht, die Bandbreite an Tuning-Variationen lässt keine Wünsche offen. Auch Mario Resch aus Österreich ist, gemeinsam mit seinen Freunden aus der „Cult Society”, dem Thema Golf verfallen. ”Für mich ist zum Beispiel der Zweier mit seiner kantigen Karosserie der schönste aller Gölfe”, schwärmt Mario. „Allerdings gefällt mir das Thema dann eher schlicht, dezent und flach.” Und mit besseren Worten kann man sein silbernes Gefährt nun wirklich nicht beschreiben. Bei seinem Projekt setzte der VW-Fan nicht auf ultrabreite Felgen oder Spoiler, vielmehr sticht der Golf einzig und allein durch seine gnadenlose Tieferlegung aus dem Alltagstrott auf österreichischen Straßen hervor. Wirft man allerdings einen genauen Blick auf den 92er Jahrgang, kommen immer mehr kleine Modifikationen zum Vorschein, die dem VW einen einzigartigen Look verpassen.
So entschied sich der Mechaniker an der Front für einen Kühlergrill ohne das „bekennende” Emblem und trennte außerdem das Scheibenwischerpärchen voneinander; bei plötzlichem Regen kämpft nun ein Einarmiger gegen die Wassermassen. Weiterhin verbaute Mario die in der Szene beliebten Audi-Türgriffe und ließ im gleichen Arbeitsschritt die Schlösser an Fahrer- und Beifahrertür verschwinden. Bei letzterer trennte er sich außerdem vom Außenspiegel; auf der Fahrerseite montierte er ein Exemplar aus dem Rennsport (ein bisschen „Rücksicht” muss halt sein!). Das Heck seiner Errungenschaft gestaltete Mario ähnlich schlicht wie die Front und befreite es somit von allen „überflüssigen” Anbauten. So nahm sich der gelernte Mechaniker zunächst der Nummernschildaussparung an und verkleinerte sie auf ein erträgliches Maß. ”Obwohl das Ganze beim österreichischen TÜV nicht gerade einfach über die Bühne gegangen ist, denn es gibt hier normalerweise keine kleineren Kennzeichen”, erzählt der Tüftler. ”Mit viel Hin und Her habe ich dann aber doch eins bekommen.” Da er gerade schon an der Heckklappe werkelte, verschwanden zugunsten der cleanen Optik außerdem noch Wischer, Schloss und Embleme, weiterhin tauschten schwarzrote Hellas den Platz mit den originalen Rückleuchten. „Abschließend habe ich dann noch die Dachantenne zugeschweißt und sie am gewohnten Platz, dem linken Kotflügel, befestigt.”
So weit, so gut. Fehlte eigentlich nur noch der richtige Lack. Hier fiel dem 24-jährigen die Wahl nicht schwer, hat er doch mehr als ein Dutzend silberner Fahrzeuge vor der Haustür stehen. ”Meine Eltern haben ein Reisebus- bzw. LKW-Unternehmen. Zwecks Wiedererkennungswert ist da alles in Silber, selbst die meisten Autos in der Familie.” Deshalb ließ auch Mario sein Projekt damit einnebeln, genaugenommen verpasste Freund Tommy dem Ganzen ein Brillant-Silber-Metallic aus der Mercedes-Farbpalette.
Doch das ist bei weitem nicht alles, was Marios Golf mit dem Stern aus Hintertürkheim verbindet, im Innenraum und beim Fahrwerkskomfort geht es nämlich weiter.
Das Interieur des Zweiers erstrahlt mittlerweile in grauem Leder, allerdings ausnahmsweise nicht aus dem Hause Mercedes, sondern von Porsche. ”Hier hat Firma Guttmann ganze Arbeit geleistet. Ich musste nur zur Lederfabrik von VAG hinfahren, die in meinem Wohnort Leibnitz ist, und alles Nötige besorgen”, erzählt Mario. Doch warum kein ”Stern”-Leder? ”ln das sind Löcher eingestanzt, um einen an Rücken usw. nicht schwitzen zu lassen. Da hat mir die glatte Variante von Porsche viel besser gefallen, ich habe gegen unnötiges Schwitzen ja sowieso eine Klimaanlage.” Mit letzterer leiten wir dann auch über zu Marios Vorstellung von einem Auto an sich: Er steht nicht unbedingt auf die Version ”Kahler Innenraum und Schalensitze”, vielmehr soll das Ganze eher gediegen sein.
Also polsterte er den Innenraum bis ins kleinste Eckchen mit Mercedes-Dämmmatten aus, um möglichst wenig Geräusche zu den Insassen Vordringen zu lassen. Zudem verbreitet nun die bereits erwähnte Klimaanlage im Sommer ein kühles Lüftchen, unangenehme winterliche Temperaturen an der Kehrseite beseitigt die Sitzheizung. Möchte Mario einmal seinen ”gas-belasteten” Fuß entspannen, schaltet er einfach den Tempomat ein, der dann die Geschwindigkeit reguliert. Außerdem „entsorgte” Mario noch die Fensterkurbeln und überlässt die Arbeit nun ein Paar elektrischen Helfern. „Nachdem der Innenraum fertig war, ist mein Kumpel Mario (die Liebe zum Golf muss wohl am Namen liegen; seinen 3er Golf haben wir Euch in der 9/99 vorgestellt) als erster mitgefahren und war total begeistert. In meinem Zweier herrscht Totenstille, außerdem klappert gar nichts, weder Türverkleidung noch Heckklappe oder sonst etwas. Auch das tiefe Fahrwerk tut dem Ganzen keinen Abbruch.” Apropos Fahrwerk: Ansonsten auf schlicht, dezent und clean getrimmt, musste für Mario wenigstens eine gnadenlose Tieferlegung her. Aus diesem Grund entschied er sich für ein Gewindefahrwerk aus dem Hause H&R, das nun dank um sechs Zentimeter gekürzter Kolbenstangen für rund 140 mm Tiefgang sorgt. Dass ”tief” aber nicht gleich ”hart” bedeuten muss, werdet Ihr nun erfahren.
”Kurz nach dem Einbau hat mir meine Mutter in den Ohren gelegen, dass mein Auto wegen der Tiefe und Härte der Fahrwerkskomponenten doch überhaupt nicht fahrbar sei. Da lobe sie sich doch ihre E-Klasse. Das war dann auch mit ein Grund, weshalb ich alles vollkommen überarbeitet habe.” Was sich allerdings nicht unbedingt einfach gestaltete, denn 14 Zentimeter Tieferlegung bedeuten natürlich auch drangvolle Enge im Vorderwagen. Um einen größeren Komfort zu erzielen, mussten deshalb die Antriebswellen um jeweils 25 mm gekürzt werden, die längere rechte verlor zudem rund 10 mm im Durchmesser. Da diese Eingriffe nicht ausreichten, wurden noch die Längsträger entsprechend bearbeitet, damit die Halbachsen beim Einfedern nirgendwo aneckten.
„Durch diese Umbauten verfügt der Golf nun trotz seiner extremen Tiefe über drei bis vier Zentimeter Federweg, deshalb lässt er sich absolut weich und angenehm fahren. Wie die E-Klasse meiner Mutter…”, erklärt Mario und erzählt von den rund achtzig Arbeitstunden, die er mit seinen Freunden Gerhard, Tommy und Virus allein für den Umbau des Vorderwagens gebraucht hat.
Beim Motor waren die Eingriffe nicht ganz so gravierend, eine kleine Spritz kur sollte allerdings nicht fehlen, um dem G-ladenen 1,8-Liter-Aggregat ein paar Mehr-PS zu entlocken. So verbaute er zunächst eine Sport-Nockenwelle aus dem Hause Schrick, außerdem mussten die Zylinderköpfe eine Bearbeitung über sich ergehen lassen und das Steuergerät sowie die Einspritzdüsen wurden modifiziert. Weiterhin entschied sich Mario für eine Sintermetall-Kupplung und eine erleichterte Schwungscheibe aus dem Hause Fichtel & Sachs. Den G-Lader beließ der Tüftler im Originalzustand, einzig und allein ein anderes Laderrad wurde montiert. Damit der Motor nicht zu kochen anfängt, sorgt ein thermosta-tisch gesteuerter Ölkühler für optimale Temperaturen. ”Das Thermostat macht bei 90 Grad Celsius auf, dann geht die Ölmenge durch den Kühler und sorgt so für circa 1,2 Liter mehr Öl”, erläutert der 24-jährige die Funktionsweise.
Nach den vorangegangenen Eingriffen mobilisiert der Sportler mittlerweile rund 220 PS, die bei Bedarf durch Golf-3-Bremsen vom VR6 im Zaum gehalten werden. „Allerdings finde ich die österreichischen Straßen viel zu schlecht, um meinen Zweier jeden Tag darauf zu bewegen. Hier fliegen so viele kleine Steinchen rum, dass ich den Silbernen bald neu lackieren müsste.” Aus diesem Grund bewältigt Mario mit seinem Projekt hauptsächlich die An- und Abfahrten zu Treffen, die Entfernung spiei: dann allerdings keine Rolle.
Zugegeben: Eine ordentliche Portion Enthusiasmus für die Wolfsburger muss man schon mitbringen, um wie Mario viel Arbeit und einen Batzen Geld in ein Projekt dieser Art zu stecken. Allerdings muss nun auch jeder Mercedes-Fahrer, der einen genaueren Blick auf den silbernen Golf neben sich an der Ampel werfen kann, neidvoll zugeben: Ein solcher Mix aus Sportlichkeit und gediegenem Luxus ist kaum zu übertreffen. Fehlt eigentlich nur noch ein Stern auf der Golf-Flaube… aber wir wollen ja nicht übertreiben.
Typ: Golf 2 G60, Baujahr ‘92 • Motor: 1,8 Liter G60 • Hub x Bohrung: 81 x 86,4 mm Hubraum: 1781 ccm • Pleuel: Serie • Nockenwelle: Schrick, 288° • Zylinderköpfe: Serie, modifiziert • Kupplung/ Schwungscheibe: Sintermetall-Kupplung und erleichtertes Schwungrad von Fichtel & Sachs • Leistung: 156 kW/219 PS • Vorderachse: H&R-Gewindefahr-werk, Dämpfer um 60 mm gekürzt, Antriebswellen um 25 mm gekürzt, Längsträgerbearbeitet, 140 mm Tieferlegung • Hinterachse: H&R-Gewindefahrwerk, Dämpfer um 60 mm gekürzt, 5-mm-Dis-tanzscheiben, 140 mm Tieferlegung • Bremse vorn/hinten: Golf 3 VR6 • Räder vorn/hinten: Speedline 6,5 x 15 ET43 • Bereifung vorn/hinten: Dunlop SP2000 195/45 R15 • Lenkrad: Momo, 300 mm Durchmesser • Radio: Pioneer • Verstärker: Pioneer • Boxen: Pioneer • Subwoofer: Pioneer 6O-cm-0 • Sonstiges: Wie-chers-Domstreben, Audi-Türgriffe, verkleinerte Nummernschildaussparung, rotschwarze Hella-Rückleuchten, komplettes Body-Cleaning, Interieur aus Porsche-Leder, graue Zifferblätter, Verglasung grün getönt, Innenraum komplett mit Merce-des-Dämmmatten ausgearbeitet, Lack: Mercedes-BrilliantSilber-Metallic, Klimaanlage, Sitzheizung, Tempomat, elektr. Fensterheber, Viper-Alarmanlage, Fahrwerk zwecks Federungs-Komfort überarbeitet